Форум кафедры иностранных языков и перевода УрФУ

Обратно на сайт

You are not logged in.

#1 2017-01-31 18:49:55

administrator
Administrator

Перевод с немецкого. Проза.

Das erste Capitel
Worin der König heiter der Ankunft eines neuen Riesen entgegenblicket


Friedrich Wilhelm der Erste, siebenundzwanzig Jahre alt, König in Preußen und Markgraf von Brandenburg, Erzkämmerer und Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches, saß im Potsdamer Stadtschlosse in seinem Bette und freute sich.

Für diesen Nachmittag war ein neuer Riese angekündigt; ein Sachse aus der Gegend um Wittenberg.

Wittenberg lag an und für sich nicht weit, überlegte der König; zwei, allerhöchstens drei Tagesreisen. Wie hatten seine Leute diesen Riesen so lange übersehen können? Bezahlte er sie denn nicht gut dafür, alle großgewachsenen Männer dieser Welt zu finden und zu ihm zu schaffen? Schließlich suchte er nicht nach Mäusen, die durch jede Ritze entwischen können – er suchte nach Riesen! Und das nicht erst seit gestern.

Bereits loderte die Wut in Friedrich Wilhelm auf und damit die Frage, an wem er sie auslassen sollte. Doch die Aussicht, schon bald einen neuen Giganten in Empfang nehmen zu dürfen, vertrieb die dunklen Gefühle gleich wieder und ließ in seinem kugelrunden Antlitze ein Lächeln aufglänzen.

Er schlug die Decke zurück, entstieg dem Bette, schritt zum mit eiskaltem Brunnenwasser gefüllten Waschtroge hinüber, entledigte sich seines Unterhemdes, benetzte Gesicht, Arme und Brust, entnahm einem emaillierten Seifenfässlein eine wohlriechende Kugel venetianischer Seife mit Lilienöl, Amber und Zibet und wusch sich damit gründlich.

Auf ein Handzeichen trat sein Leibdiener Eversmann, der in angemessenem Abstande gewartet hatte, hinzu und bot ihm ein Handtuch aus feinem, schneeweiß gebleichtem Leinen dar. Friedrich Wilhelm nahm es entgegen, trocknete sich ab und kleidete sich Stück für Stück in seine Officiersuniform. Den Rock ließ er weg; die Arbeit am Schreibtische, mit der er seinen Tag zu beginnen pflegte, erledigte er in Weste und Hemd, über dessen Ärmel er nun Schoner aus Leinwand streifte. Er hatte sie eigens erfunden, nachdem diverse mit Tinte befleckte Hemden hatten entsorgt werden müssen. Schließlich zog er sich, zum weiteren Schutze der Kleidung, einen weißen Schurz über.

Natürlich hätte sich Friedrich Wilhelm jeden Tag hundert neue Hemden leisten können – er war der König. Doch wohin eine solche Denkart führte, hatte sein Vater Friedrich der Erste eindrucksvoll dargelegt, indem er seinem Sohne Schulden in Höhe von zwanzig Millionen Reichsthalern hinterlassen; angehäuft durch den Unterhalt von vierundzwanzig Schlössern, in denen continuierlich Opern, Maskeraden, Ballette und Concertos stattfanden und eine Vielzahl von Knechten, Pagen, Lakaien und Kämmerern umhereilte – kurz: durch Repräsentation, wie sie zwar üblich, aber auch ruinös war. Deshalb hatte Friedrich Wilhelm, kaum war er König geworden, die Schlösser bis auf deren sechs verkauft, sämtliches Silberzeug vermünzt und den Hofetat rücksichtslos zusammengestrichen. Er regierte, wie er stets gelebt hatte: ausgesprochen sparsam. Allerdings nicht aufgrund von Vernunft oder gar zugunsten des Volkes, sondern einzig dem Militair zuliebe, dem er sämtliche freiwerdenden Mittel zukommen ließ.

Ein munteres Liedchen pfeifend, begab sich der König über den knarrenden Parkettboden in sein Contor hinüber, aus dem, auch dafür hatte Eversmann gesorgt, der Coffee her überduftete.

»Guten Morgen, Euer Königliche Majestät«, grüßte Ehrenreich Bogislaw von Creutz, Friedrich Wilhelms Geheimsecretair, bereit, die Tagesgeschäfte vorzutragen. Wobei es nach Ansicht des Königes heute nur ein Tagesgeschäft gab.

»Morgen, Creutz. Saget mal, wie groß ist eigentlich der Sachse, den Schmidt heute bringet?«

»Sehr groß, Euer Majestät«, antwortete Creutz, selbst ein großer Mann, was ihn bereits in die Dienste Friedrich Wilhelms geführt hatte, als dieser noch Cronprinz gewesen.

»Wie groß denn genau?«, fragte Friedrich Wilhelm aufgeregt und ergriff die Coffeetasse, um einen eiligen Schluck daraus zu nehmen. »Größer als der neue Venetier?«

Der Venetier Bernardo Petroni war enorm groß: sechs Fuß, sieben Zoll und einen Strich. Das war exact vermessen worden, immer wieder; oft auch mitten in der Nacht, weil der König plötzlich hochfuhr und Gewissheit haben wollte.

»Möglicherweise, Majestät«, antwortete Creutz, der die beachtlichen Körpermaße der Soldaten des Rothen Leibbataillons Grenadier ebenso im Kopfe trug wie die staatlichen Financen, »gemäß Schmidts letzten Informationen handelt es sich um einen annähernden Siebenfüßer.«

»Ein Siebenfüßer!«, riss Friedrich Wilhelm seine hellblauen Augen auf und machte einen Schritt rückwärts.

»Annähernd, Euer Majestät, annähernd sieben Fuß – gemäß Schmidt«, beschwichtigte Creutz.

»Annähernd sieben Fuß«, flüsterte Friedrich Wilhelm versunken, stellte die Tasse hin und trat zum Fenster, vor dem sich der einundzwanzigste April siebzehnhundertsechzehn nicht entscheiden mochte, ob er nun gewittrig werden wollte oder doch lieber heiter.

Creutz raschelte discret mit seinen Documenten, um die Unterhaltung voranzutreiben.

Friedrich Wilhelm wandte sich zu ihm um und fragte angstvoll: »Aber... ist das auch gewiss? Annähernd sieben rheinische Fuß?«

»Bis itzo hat uns Schmidt nur einmal enttäuschet, und Euer Majestät sind bestimmt erinnerlich, was das für ihn bedeutet hatte«, antwortete Creutz.

Friedrich Wilhelm lächelte und nickte. Er war durchaus erinnerlich, wie sein Bambusrohrstock wieder und wieder auf den Hoflieferer Schmidt niedergefahren, nachdem klar-geworden war, dass der Riese, den dieser mit seiner Bande gefangen, ganze fünf Zoll kleiner war als angekündet.

Hernach war an der Zuverlässigkeit von Schmidts Evalvationen nie mehr etwas zu beanstanden gewesen.

[…]

Thomas Meyer „Rechnung über meine Dukaten“

Offline

 

Board footer

Написать администратору
© Copyright 2002–2005 Rickard Andersson